Kontext

bullet1 2.1) Beratung#1 - Rollenmodell

Hinweise auf die Evolution des Zeitgeistes

 

Finanzdienstleistungen sind inzwischen ein weites, sich global konkurrenzierendes Feld. Sie reichen vom Verkauf einer Glasbruchversicherung über die Finanzierung von Industriekomplexen und die Verwaltung millionenschwerer Privatvermögen bis zum "Rating" ganzer Volkswirtschaften und dem Portfoliomanagement unvorstellbar grosser Fondsvermögen. Die Ausweitung der Finanzdienstleistungen gründet zum einen auf einer Erweiterung der Leistungen von Banken und Versicherungen und zum anderen auf dem Aufbau digitaler Informations- und Kommunikationsnetze mit globaler Reichweite. Damit sind neue Finanzierungsinstrumente (Derivative) und daraus die virtuellen Ökonomie der Devisen- und Kursspekulation möglich geworden.

Das alles hat zu hoch professionalisierten Operationen geführt, die aufgrund der Globalisierung der Märkte, ihrer Interdependenz, Volatilität, Intransparenz und Eigendynamik hochgradig erfahrene Beobachter erfordern, die dem Chaos vielschichtiger Fluktuationen relevante Informationen zu entlocken versuchen. Die "virtuelle Ökonomie" digitalisierter Geldströme ohne realen Gegenwert überragt bereits 1993 das Volumen der realen Ökonomie um das 20 bis 50fache. Entsprechend wurden nicht mehr primäre die realen Dienstleistungen weiterentwickelt, und viele KMUs werden heute von den Banken schlechter behandelt als früher. Die erforderliche Expertise für die Erfindung, den Einsatz und den Umgang mit immer esoterischeren "derivaten" Finanzinstrumenten (junk bonds, futures, call options, put options, portfolio insurances, Terminkontrakte, Optionen auf einen Aktienindex etc.) ist sehr hoch, so dass immer weniger Banken, Börsen und Finanzunternehmen kompetent damit umgehen können.

Betrachtet man Aktienmärkte als Märkte, auf denen sich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage zu dem "Gut" Unternehmensanteile Preise bilden, dann erhellt die besondere Volatilität und Riskanz dieser Märkte die Schwierigkeit für den Kunden, den "Wert" eines Unternehmens - und mithin eines Anteils des Unternehmens und mithin einer Aktie – zu bestimmen. Kompliziert wird diese Art des Marktes noch dadurch, dass der eigentliche Kaufanreiz für den Kunden nicht im aktuellen Wert der Aktie liegt, sondern in einem vermuteten zukünftigen Wert, sei die Prognosespanne kurz-, mittel- oder langfristig. Wenn ein gewöhnlicher Kunde schon kaum etwas über den aktuellen Wert eines Unternehmens wissen kann, wie viel weniger dann über den zukünftigen? Analoges gilt für Devisenmärkte, denen die Bewertung ganzer Volkswirtschaften und Gesellschaftssysteme zugrunde liegt, und die Märkte für Schuldverschreibungen, insbesondere Staatsanleihen, denen die Bewertung der Kreditwürdigkeit institutioneller und nationaler Debitoren zugrunde liegt. Damit entsteht ein Bedarf an Wissensarbeit#0, den  der daran gescheiterte Financier Werner K. Rey in der Schweiz publik gemacht hatte. Martin Ebner hat ihr dann professionell und von der Politik her Christoph Blocher zu Durchbruch verholfen und die Grossbanken haben sie global institutionalisiert.

Spezialisierte, aber nicht notwendigerweise öffentliche Infrastrukturen unterstützen den Austausch von Daten, Information und Expertise bei globalen Finanzdienstleistungen durch elaborierte Entscheidungsprogramme, vernetzte Datenbanken, automatisierte Transaktionsprogramme, aufrufbare oder automatisch einsetzende Analysewerkzeuge u.a. auf der Basis neuronaler Netze (Jahn 1997) etc., so dass die ablaufenden Entscheidungen und Transaktionen als beispielhafte Fälle von Wissensarbeit#1 gelten können.

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass sich um diese Märkte herum ein dichtes Netz professioneller Beobachter postiert hat, die ihre Expertise teuer verkaufen. Als Organisationen gehören zu diesen Beobachtern vor allem die "rating institutions", Firmen mit der Aufgabe der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken, Institutionen und ganzen Gesellschaften; weiter Spezialbanken, etwa für Investmentbanking, für Aktienemissionen oder für Derivatenhandel; und schliesslich kleinere spezialisierte Firmen mit Expertise für ausgewählte Nischen.

Die Folge dieser weitgehenden Spezialisierung und Professionalisierung ist der Aufbau von Beobachtungsinstrumenten und - möglichkeiten, die Unterschiede relevant machen, die bislang überhaupt nicht bemerkt, geschweige denn genutzt worden sind. Entsprechend gesucht und kostbar ist das Wissen und die Expertise dafür und den mit elaborierten Vertragsklauseln gesicherten Umgang damit. Nur indirekt lassen sich Merkmale und Anforderungen dieser Form von Wissensarbeit erschliessen. Mit einer weiteren Verlagerung der Altersvorsorge von der öffentlichen Rentenversicherung auf private Rentenfonds und Pensions-Sondervermögen hat der Umfang dieses Wirtschaftsbereiches, und mithin die dort erforderliche Wissensarbeit#1 enorm zugenommen.

Dieser Prozess weg von lokalen Hypothekarbanken hin zu anonymen globalen Finanznetzwerken trägt zur Entwurzelung der Menschen aus ihren lokalen Netzwerken bei. Das macht sie für den berühmten Flügelschlag des Schmetterlings im Amazonas, der mit dem 11. September 2001 zur grausigen Realität geworden ist, anfällig. Die SAirGroupies hat es damit auf dem linken Fuss erwischt und später auch die ABB Abzocker. Nur Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum und Moritz Leuenberger wundern sich noch, warum man denn gegen die Globalisierung protestiert, die doch von ihnen so gut gemeint ist, wie sie das in ihren selbstherrlichen Dialogen am satten, von Saudiarabien gestifteten Buffet 2001 in Davos zum Ausdruck gebracht haben... 

  Kontext     Erforschung#2


> Bitte senden Sie Ihr FEEDBACK an ZustandigVersion 26.12.04